Die Familie hat Zuwachs. Eine rüstige 28"-Dame im besten Rentenalter, schwarz gewandet mit der Art von Kampfspuren, die eine Erscheinung erst recht eindrucksvoll machen.
Ist mir zugelaufen, einfach so, aus glücklicher Neuradkundenhand: "Ich mag sie nicht wegwerfen. Vielleicht findet sich ja jemand, der sich darüber freut?"
Also, zuallererst mal ich. Ich habe mal wirklich ein goldenes Publikum. Und mein viele Jahre liebgewonnenes Spätvierziger-Alltagsfahrrad hat jetzt eine adäqute Partnerin am Lenkerende, denn meine mir angetraute Liebste kam, sah und siegte. Lachend: "Meins." Punkt.
Allerdings: Die hintere Sachsnabe datiert auf 1950, was mich mißtrauisch stimmte: Stoewer in Stettin ist nämlich 1945 untergegangen, und es gab dort seit 1939 sowieso nur noch Rüstungsproduktion. Die altehrwürdige Nähmaschinen- und Fahrradfabrik, die in der Zwischenzeit auch Autos gebaut hatte - der Name "Greif" ist ursprünglich der eines Automobils - stellte 1939 auf Flugmotoren und 1943 auf den Lizenzbau von Kettenkrädern um.
Ein wenig geblättert, stellt sich heraus, die Firma Falter in Bielefeld, ihrerseits renommierter Hersteller guter Fahrräder, hatte den Namen "Stoewer´s Greif" nach dem Krieg erworben und stellte diese bei sich in Ostwestfalen her. Bis in die 90er Jahre habe es Räder mit diesem Namen gegeben, sagt mir einer. Das ist irgendwie als wenn Mercedes ein Auto baut und es dann "Porsche´s Carrera" nennt.
Naja, da stehen sie jetzt, die zwei unedlen jungen Alten: Neben ihr mein 1947er "Preston", drei Jahre älter, ebenfalls gebürtiger Bielefelder und genausowenig englisch wie Madame Stoewer pommersch. Ich mag die beiden. Und sie erwecken mir den Eindruck, sie werden der Familie noch sehr, sehr lange dienen.